Freitag, 12. März 2010

Fairbanks

Die letzten Tage vor Abflug waren - wie sollte es auch anders sein - recht stressig. Angefangen bei zwei abgelehnten Kreditkartenantraegen (das Stueck Plastik ist hier leider existentiell und wird mir nun doch evtl. hinterhergeschickt), zwei Weissheitszahn-OPs bis hin zur Beantragung einer gesonderten Einreiseerlaubnis (Ich bin ein paar Stunden vor Ablauf der Frist zufaellig darauf gestossen, dass man seit Januar online - und zusaetzlich zum normalen USA-Einreisezirkus - einen Antrag stellen muss...). Darueber hinaus habe ich beim Packen die ganze Zeit meine braune Fellmuetze vermisst, die ich in der Schwankhalle im Bueroflur vermutet habe, wo sie allerdings nicht war :( Wuerde mich sehr ueber eine Nachricht freuen, falls jemand ueber sie stolpert.
Nun gut, irgendwie habe ich es dann ja doch irgendwie gebacken bekommen, meinen Trekkingrucksack bis zum Maximum zu fuellen, auch dem Ukulelencase jeden Kubikzentimeter Luft abzuringen und mich von meiner Familie netterweise fruehmorgens zum Hamburger Flughafen kutschieren zu lassen.
In Hamburg war ich auch viel zu sehr mit der Sortierung meines Handgepaecks beschaeftigt, um zu realisieren, dass ich mich im Wartebereich direkt neben Alice Cooper gesetzt hatte. Erst als ich mich genauer mit der Frage beschaeftigte, warum neben mir ein Opa in Rockerkluft sitzt, habe ich ihn mir genauer angeschaut... Als wir ein paar Minuten spaeter gemeinsam an Bord gegangen sind, ist mir dann auch schlagartig bewusst geworden, dass die Reise tatsaechlich begonnen hat und mich eine ganze Menge Rock'n Roll erwartet :)
Nach einem unglaublich dekadenten Flug (Beinfreiheit, persoenliches MultimediaEntertainmentSystem und Chardonnay bis zum Abwinken) sollte mich dann in Seattle noch etwas viel Unglaublicheres erwarten: Meine Einreise in die USA... Im Vorfeld hat man den einen oder anderen Witz darueber gemacht, dass die Amis mich gar nicht in ihr Land lassen. Und ich bin fest davon ausgegangen, dass man es mir - beladen mit unzaehligen Kanadabuechern, einem Visum und einer putzigen Ukulele - schon abnehmen wird, dass ich mich nur auf der Durchreise befinde, in Alaska Urlaub mache und anschliessend nach Kanada weiterreise. Das war ein grosser Irrtum... Es gehoert ja mittlerweile zum US-Einreiseprozedere, vorab genaue Angaben zu machen, warum man sich wo und mit wem in den Staaten aufhaelt und dass man akzeptiert, an der Grenze zurueckgewiesen zu werden ohne Chance darauf, die Sache vor Ort klaeren zu koennen (der Onlineantrag, von dem ich schon sprach). Auch, dass man seine Fingerabdruecke hinterlassen muss, ist allgemein bekannt und schaerfere Gepaeckkontrollen am Abflugs- und Zielort finde selbst ich sinnvoll, wenngleich nervtoetend. Darauf war ich eingestellt! Nicht eingestellt jedoch war ich auf die Tatsache, dass man ein ernsthaftes Problem hat, wenn man spaeter nicht mit dem Flugzeug, sondern wie ich auf dem Landwege ausreisen moechte. Ich zahle schliesslich keine paarhundert Euro extra, wenn es fuer die Strecke Seattle-Vancouver (ca. 200km) unzaehlige Mitfahrgelegenheiten gibt. Auch die Tatsache, dass jemand Urlaub in Alaska macht, sorgte fuer Verwirrung und Misstrauen seitens der Homeland Security Beamten.
Hier eine Kurzversion meiner 1,5-stuendigen Einreiseodyssee:
Ich hatte meine Fuesse noch gar nicht auf amerikanischen Boden setzen koenen (schwebte quasi in der Gangway dadrueber), da wurde ich schon gleich vom ersten Beamten abgefangen. Dieser stellte dieselben Fragen wie auch die anderen drei Officers, zu denen ich nach und nach durchgereicht wurde. Und auch ihm zeigte ich alle meine Dokumente, betonte wieder und wieder, dass ich nur zu touristischen Zwecken einreisen moechte und garantiert keine Arbeit aufnehmen moechte. Nachdem ich bei der zweiten Station (Passkontrolle, Fingerabdruecke etc.) eine grosse rote Karte (?!) in die Hand gedrueckt bekam, durfte ich zur naechsten Position vorruecken. Der dortige Beamte bat mich nach dem mir schon vertrauten Frage-Antwort-Einwand-Spiel ("Ein Monat Urlaub? Ist das nicht viel zu lang?!"), mein Gepaeck abzuholen und passte in der Zwischenzeit auf meinen Reisepass und mein Handy auf. Nachdem ich den Weg zurueck gefunden hatte, hiess es erstmal Platz nehmen. Waehrend ich wartete, wurde mir bewusst, dass es noch lange dauern koennte und es evtl. mit meinem Anschlussflug eng wird... Irgendwann wurde ich dann doch aufgerufen und machte die Bekanntschaft mit Mr. Barber, ebenfalls von der Homeland Security. Dieser Herr hat sich dann seeehr viel Zeit fuer mich und mein Gepaeck genommen:

Mr. Barber (sehr skeptisch): Sie wollen also nach Alaska?... Alleine?... Wo uebernachten Sie?
Ich hatte fuer meinen Online-Antrag ein Hostel gegooglet, dessen Adresse ich zum Glueck dabei hatte und die ich ihm nennen konnte. Von Matt, meinem Couchsurfer wusste ich ja nur, dass er in einer Blockhuette ausserhalb der Stadt wohnt und er mich vom Flughafen abholt.

Kennen Sie dort jemanden?

Ich habe also versucht, ihm Couchsurfing zu erklaeren, nachdem ich leider spontan "ja" gesagt hatte... Da er auch das merkwuerdig fand, war ich froh, als er zum naechsten Thema wechselte.

Wieviel Geld haben Sie dabei? ... Haben Sie eine Kreditkarte?
Ich hatte in der Tat nicht sehr viel Bargeld dabei und sollte nun irgendwie belegen, dass ich auch nach ein paar Tagen noch genug Geld fuer die Reise habe. Auf die Erklaerung, dass meine Mutter mir meine Kreditkarte hinterherschicken wird, entgegnete er nur verwundert: "Ist ihre Mutter wohlhabend, dass sie Ihnen eine Kreditkarte ueberlaesst?"

Ich verstehe nicht so ganz, warum sie erst in die Staaten einreisen moechten, obwohl sie doch ein Visum fuer Kanada haben?!
Nach einem kurzen Schockmoment fiel mir das in meinen Augen beste Argument ein und sagte ein bisschen verlegen: "Wegen der Nordlichter... Jetzt im Maerz kann ich die noch sehen." Das schien sogar Mr. Barber einleuchtend zu sein...

Was wollen sie denn einen Monat lang in Alaska machen ausser Nordlichter gucken?
Langlaufski fahren.
(Mit Blick auf mein Gepaeck) Sie haben keine Skier dabei!
Aehm... das waere zu viel Gepaeck gewesen, ich leihe mir dort welche.
Was ist denn in ihrem Gepaeck? Naja, wahrscheinlich warme Kleidung. Die Jacke die sie tragen ist ja auch zu kalt fuer dort oben. (Nein, ist sie nicht!)

Dann fing er an, mein Gepaeck zu pluendern (Gluecklicherweise musste ich nicht das grosse Fach meines Rucksacks leeren, denn dann haette ich meinen Flieger auf keinen Fall mehr bekommen.). Reges Interesse weckten meine Sparkassen-TAN-Liste (mysterioese Zahlenkombinationen!), mein Kalendar und meine zahlreichen Notizzettel. Beim Durchstoebern meiner Noten hat er dann das erste mal gelaechelt: "Oh, Buddy Holly!... Und wenn sie wieder in Seattle sind, dann sitzen sie bestimmt auf dem xyz-Platz und spielen fuer ein bisschen Geld?!" Achtung, Falle!! Ich habe unzaehlige Male geschworen, dass ich zu keiner Zeit in den USA Arbeit - in welcher Form auch immer - aufnehmen werde. Also antwortete ich: "Ja, das waere bestimmt nett, ist aber sicherlich illegal." Dann kam ein ganz ernstes tiefes "Right!"

Nach weiteren unzaehligen Fragen durfte ich meine Sachen packen und bekam endlich mein Visum ausgehaendigt. Gerade noch rechtzeitig vor Ablauf der Boarding Time erreichte ich das Gate und sass endlich im Flieger Richtung Fairbanks. Die halbe Maschine war von der US Army gechartert und so habe ich entdeckt, dass Truppenunterhaltung ein Talent von mir ist. Besonders die Sache mit Alice Cooper fanden sie toll und als ich feststellte, dass sich mein Notebook nicht im Handgepaeck, sondern noch bei den netten Herren am Flughafen befindet, die damit drohen unbeaufsichtigtes Gepaeck zu vernichten, hagelte es aus allen Reihen Beileidsbekundungen.
Irgendwann bin ich eingeschlafen und wurde vom Aufsetzen der Maschine geweckt. Yeehah, Fairbanks!
Es war schon spaet abends, der Flughafen kurz vor der Schliessung und die Leute am Gepaeckband hatten sich in Luft aufgeloest. Da waren nur noch die drei Gepaeckstuecke, die einsam ihre Runden drehten, ein ausgestopfter Braun- & Polarbaer und Nina, die feststellte, dass ihre US-Sim-Karte in Alaska nicht funktioniert und nicht nur das Notebook in Seattle geblieben ist, sondern das ganze Gepaeck.
Irgendwie war mir das mit dem Gepaeck zu dem Zeitpunkt auch egal. Hauptsache war, angekommen zu sein. Kurz nachdem ich mein Gepaeck als vermisst gemeldet hatte, kam auch schon Matt und wir fuhren zur Cabin, wo er mit Mandy und einem Rudel Huskies wohnt. Dort angekommen haben wir noch eine Weile gequatscht und irgendwann bin ich zufrieden auf meiner Couch eingepennt.
Nun liegt meine Ankunft schon unglaubliche neun Tage zurueck und ich komme erst jetzt dazu, meinen ersten Bericht zu verfassen... Das hat mehrere Gruende. Zum einen ist Internet selten in Reichweite und zum anderen bin ich permanent unterwegs. Ich stolpere quasi von einer unternehmungsfreudigen WG in die naechste. Morgen werde ich wenn moeglich ein paar Bilder hochladen und ein paar Worte darueber verlieren (allerdings nicht soviele wie jetzt...).

Viele liebe Gruesse aus dem nicht allzu kalten Alaska (-15 bis -30 Grad, sehr angenehme Kaelte!),
Nina


PS - Vorgestern war es endlich so weit: Nordlichter!!! Alleine deswegen hat sich die Reise gelohnt!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nina....du hasts geschafft!!!!angekommen nach all den bürokratischen gegebenhieten. aber was ist aus alice cooper geworden? hab spaß, erlebe viel und geh wirklich langlaufski fahren!

lg,
youdid

Unknown hat gesagt…

Das freut mich ja, das du heile angekommen bist :)
Ich habe eben gerade auf der Heimfahrt von der Arbeit deinen Golf gesehen. Er hat noch die originalen Nr-Schilder :) Ich konnte nur erkennnen das ein Mann, ich schätze mal so ca. 40 gefahren ist.

Hast du denn dein Gepäck schon wieder?

Nina hat gesagt…

@ buddy: jepp, den jolf habe ich in liebevolle haende abgegeben. der typ will ihn auch noch durch den naechsten tuev bringen und laaange damit weiterfahren. du wirst ihn also noch oefter sehen (und hoeren) :)
meinen rucksack haben wir am naechsten tag abgeholt und das notebook wurde nicht gesprengt, sodass ich es ende des monats in seattle abholen kann. eigentlich ganz praktisch, dass ich es hier nicht mit mir rumschleppen muss.

@ youdid: alice wirkte wirklich sehr muede und er hat es auch nur bis london geschafft.
das erste mal langlaufski gefahren bin ich vor einer woche und nun habe ich hier ganz tolle trails und einen guenstigen verleih direkt vor der haustuer :)

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